Motivationale Aspekte und Krankheitsverarbeitung in der Rehabilitation von Menschen mit neuropsychologischen Störungen

verfasst von Mag. Dr. Thomas Bodner, MSc.

Die Rehabilitation von Menschen mit erworbenen Hirnschädigungen und neurologischen Erkrankungen stellt ein wichtiges Aufgabenfeld in der klinischen Neuropsychologie dar. Diese Tätigkeit erfordert ein umfangreiches Wissen über klinisch-psychologische Störungsbilder, motivationale Aspekte und Krankheitsbewältigung, welches über ein bloßes Wissen über Hirnleistungstraining, Hirnjogging oder Gedächtnistraining weit hinausgeht. 
Kolleginnen und Kollegen mit Erfahrung in diesem Tätigkeitsbereich wissen sehr genau, dass es in vielen Fällen nicht damit getan ist, beispielsweise bei Menschen mit einer Gedächtnisstörung nach einem Schlaganfall, 15 Einheiten Gedächtnistraining durchzuführen. Dies würde dem sehr mechanistischen Bild ähneln, bei dem ein Fahrzeug mit kaputtem Motor in eine Werkstatt kommt und nach wenigen Stunden repariert und voll einsatzbereit diese wieder verlässt. Der Prozess der Rehabilitation muss vielmehr als eine „Blackbox“ verstanden werden, in welcher viele „Mechanismen“ betroffen sein können. Es bedarf eines umfangreichen Wissens und einer großen Methodenvielfalt, um eine adäquate Behandlung anbieten zu können. In dieser sog. „Blackbox“ sind – beispielsweise bei einem Patienten nach einem Schlaganfall – nicht nur Gedächtnissysteme verletzt und gestört, sondern der Erkrankte kann darüber hinaus unter zahlreichen anderen, mehr oder weniger bewussten Einflüssen leiden. Dazu zählen folgende personenbezogene Faktoren: Störungsbewusstsein, Leidensdruck, Motivation, subjektive Krankheitstheorien, prä- und postmorbide Persönlichkeit, Erwartungen, Anstrengungsbereitschaft. Aber auch mit dem Ereignis in Zusammenhang stehende Phänomene wie Anosognosie, Krankheitsverleugnung oder Krankheitsgewinne spielen eine wichtige Rolle, wenn es um Erfolg oder Nicht-Erfolg von neuropsychologischen bzw. allen Rehabilitationsmaßnahmen geht. So liegt es beispielsweise nahe, dass eine Person wenig Motivation zur Rehabilitation und wenig Anstrengungsbereitschaft hat, wenn sie davon überzeugt ist, dass ihre Situation unveränderbar und hoffnungslos ist. Demgegenüber tut sich ein Mensch viel leichter, wenn er generell der Überzeugung ist, dass Zustände veränderbar sind (Attributionstheorie der Motivation). Ein anderes Beispiel sei aus dem Bereich der Zieldefinition genannt. Es hilft nur sehr wenig, wenn ein Rehabilitationsziel vom Behandler unhinterfragt vorgegeben wird (z.B. Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess), der Betroffene aber erst einmal so schnell wie möglich aus dem Krankenhaus nach Hause möchte. Dies sind nur zwei Beispiele für die Komplexität, die bei rehabilitativen Maßnahmen berücksichtigt werden sollen.
Leider werden diese rehabilitativen Leistungen derzeit von den österreichischen Sozialversicherungen für den ambulanten Bereich nicht gewürdigt und nicht finanziert. Es ist eine jahrelange Forderung österreichischer Psycholog:innen, dies zu ändern. Auch wir von NEUROPSY werden uns dafür einsetzten und für das Ziel einer Finanzierung klinisch-neuropsychologischer Behandlung kämpfen.

In diesem Zusammenhang möchten wir Sie auch auf unsere Fortbildungen hinweisen. Wir bieten heuer eine Seminarreihe zur neuropsychologischen Rehabilitation mit Frau Prof. Dr. Anke Menzel-Begemann und Dr. Beatrix Broutschek an. Vielleicht ist in unserem Programmangebot auch etwas für Sie dabei. 

Literaturhinweis: 
Rachel Winson, Barbara A. Wilson, Andrew Bateman (Hrsg.): Rehabilitation nach Hirnschädigung. Ein Therapiemanual. Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG (Göttingen) 2020. 252 Seiten. ISBN 978-3-8017-2985-1. 44,95 EUR, CH: 55,90 sFr.